Disclaimer in Geschäfts-E-Mails

Im Gegensatz zu E-Mail-Signaturen, deren Verwendung in der Bundesrepublik seit 2006 per Gesetz normiert ist, sind Disclaimer ein E-Mail-Baustein, welcher auf Freiwilligkeit beruht. Bei versäumter Nennung des Firmennamens, der Rechtsform oder der Firmenanschrift in einer Geschäfts-E-Mail flattern einem über kurz oder lang Abmahnungen ins Haus. Geht eine Nachricht ohne Disclaimer raus, passiert gar nichts.

Welchen Zweck erfüllt der Disclaimer in einer E-Mail?

“Der Inhalt dieser E-Mail ist ausschließlich für den bezeichneten Adressaten bestimmt. Wenn Sie nicht der vorgesehene Adressat dieser E-Mail oder dessen Vertreter sein sollten, beachten Sie bitte, dass jede Form der Veröffentlichung, Vervielfältigung oder Weitergabe des Inhalts dieser E-Mail unzulässig ist. Wir bitten Sie, sofort den Absender zu informieren und die E-Mail zu löschen.“

Texte wie dieser sorgen für reichlich Diskussionsstoff. Sie fordern einen zum Handeln auf, und die Wortwahl steuert einen Beigeschmack von Nötigung bei.

Als juristischer Laie finde ich, der Disclaimer (zu Deutsch Haftungsausschluss) wird als Polsterkissen für die Dusseligkeit des Absenders mißbraucht. Dieser besitzt noch die Frechheit, mich in die Pflicht zu nehmen, seinen Fehler auszubügeln. Anschließend soll ich mir selbst einen Maulkorb verpassen, weil die sog. Abschreckungs-Disclaimer bzw. Angstklauseln einem „die Kenntisnahme und jede weitere Nutzung des Inhalts“ untersagen, wenn man nicht der „rechtmäßige Empfänger“  ist… .

Juristen weisen solche Disclaimer als Murks aus (Auszug aus dem sehr empfehlenswerten Podcast von Thomas Schwenke), denn:

  • Woher soll man wissen, ob man der berechtigte oder unberechtigte Empfänger einer E-Mail ist?
  • Aus welchem Grund soll man dem Absender zurückschreiben, dass er seine E-Mail falsch adressiert hat?
  • Aus welchem Grund soll man die E-Mail löschen?
  • Wie kriegt man das, was man gerade gelesen hat, wieder aus dem Kopf (bei E-Mails, in denen der Disclaimer unten steht)?
  • Inwiefern distanziert sich der Absender (to disclaim) von dem Inhalt seiner E-Mail?
  • Wie unterscheidet der Absender zwischen urheberrechtlich geschütztem und nicht geschütztem Text, wenn der Disclaimer automatisch, durch eine Software hinzugefügt wird?
  • Wie will der Absender für nichts haften, was in seiner E-Mail übermittelt wird (Anlagen, Viren etc.)?

Hui! Da will uns einer dazu bringen, etwas zu tun oder zu lassen. Nur, mit welchem Recht? Denn, gewollt war der Kontakt weder von der einen noch von der anderen Seite.

Die Rechtslage ist hier ziemlig eindeutig: Kommt die E-Mail von einem Unbekannten, ist der Disclaimer in seiner E-Mail eine einseitige Aufforderung und daher bar jeder Wirkung, denn zwischen dem Absender und dem Empfänger besteht kein Vertragsverhältnis.

Und, dass man den Inhalt einer zufällig empfangenen E-Mail nicht bedingungslos weiterleiten bzw. veröffentlichen darf, ist nicht dem Disclaimer im Speziellen, sondern der deutschen Rechtssprechung im Allgemeinen zuzuschreiben (siehe dazu Urteil des OLG Saarland vom 13.06.2012). Diese nämlich (und nicht der Disclaimer) sorgt dafür, dass vorsätzliche Schädigung des Absenders durch den Empfänger in einen Schadenersatzanspruch münden kann.


Disclaimer

Wie verhindert man, dass vertrauliche Unternehmensdaten in E-Mails übermittelt werden? – CodeTwo Exchange Rules Pro für Exchange Server 2013 / 2010 / 2007


Auch bei Vertragsbeziehungen (z.B. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer) fällt der Disclaimer nicht ins Gewicht, weil die Verpflichtung, die jeweils andere Partei nicht zu schädigen, bereits in dem Vertrag verankert ist (vgl. David Oberbeck).

Vor Gericht haben Disclaimer bis dato keinen Bestand. Je nach Wortwahl sollen sie einem Angst machen, oder sie bringen den Wunsch des Absenders zum Ausdruck, man möge dies oder das tun bzw. nicht tun.

Warum tut man sich den Disclaimer an?

Der Grund, weshalb man in der Bundesrepublik den Disclaimer so gern in Geschäfts-E-Mails platziert, liegt nicht zuletzt an den internationalen Bindungen deutscher Unternehmen. Es ist eben kein Geheimnis, dass beispielsweise die US-amerikanische Rechtssprechung anders tickt als die hiesige. Begriffe wie HIPAA, GLBA, IRS regulation Circular 230 dürfen amerikanischen Unternehmen aus den Bereichen Gesundheitswesen, Finanzen etc. mehr als geläufig sein. Es scheint, dass sich der Deutsche mit seinem Disclaimer Seelenruhe erkauft. Und der IT-Markt gibt in der Hinsicht einiges her, unter anderem auch Lösungen, die in ausgehende E-Mails automatisch einen Disclaimer einfügen.

Fazit: Ob der Disclaimer, am Anfang oder am Ende einer E-Mail, etwas taugt, entscheidet im Zweifelsfall immer das Gericht. Dort sieht man sich aber erst, wenn der fehlgeleitete Inhalt Gegenstand einer Klage wird. Kreditkartennummern, Versicherungsdaten etc. gehören nicht in eine E-Mail. Es gibt Lösungen, wie man die Übermittlung von vertraulichen Daten via E-Mail verhindern kann – besser vorbeugen als heilen.

Quellen:

  1. Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) (G-SIG: 16019074) – http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP16/76/7635.html
  2. Saarländisches OLG • Urteil vom 13. Juni 2012 • Az. 5 U 5/12  – http://openjur.de/u/648116.html
  3. Disclaimer und andere Urban Law Legends – Rechtsbelehrung Folge 11 (Jura-Podcast) – http://rechtsanwalt-schwenke.de/disclaimer-urban-law-legends-rechtsbelehrung-folge-11-jura-podcast/  (Podcast)
  4. E-Mail-Disclaimer: Überflüssiger Textbaustein? – https://www.datenschutzbeauftragter-info.de/e-mail-disclaimer-ueberfluessiger-textbaustein/
  5. Warum E-Mail Disclaimer unnötig sind – http://www.datenschutzkanzlei.de/2013/11/08/warum-e-mail-disclaimer-unn%C3%B6tig-sind/
  6. OLG Saarbrücken: Veröffentlichung von E-Mail ist trotz Disclaimer zulässig – http://www.wbs-law.de/it-recht/veroeffentlichung-von-e-mail-trotz-disclaimer-47643/
  7. Das E-Mail-Impressum in der Signatur als Teil der Impressumspflicht – http://www.fuer-gruender.de/wissen/unternehmen-gruenden/unternehmensstart/aussenauftritt/email/

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